Bislang musste der Käufer eines Gebrauchtwagens, bei dem sich innerhalb von 6 Monaten nach Übergabe ein Defekt zeigte, beweisen, dass dieser Defekt einen Mangel darstellte. Diese Praxis hat der Bundesgerichtshof nun in seiner Entscheidung vom 12.10.2016 aufgegeben.
Im Falle eines Verbrauchsgüterkaufs galt hierzu bereits zuvor eine Vermutungsregel, wonach dieser Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag.
Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.
Der Bundesgerichtshof hat hierzu in einem Urteil vom 02.06. 2004 (VIII ZR 329/03) wie folgt ausgeführt:
Macht der Käufer Rechte gemäß § 437 BGB geltend, nachdem er die Kaufsache entgegengenommen hat, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast für die einen Sachmangel begründenden Tatsachen. § 476 enthält insoweit keine Beweislastumkehr. Die Bestimmung setzt einen binnen sechs Monaten seit Gefahrübergang aufgetretenen Sachmangel voraus und begründet eine lediglich in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung, dass dieser Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorlag.
Dies wurde nun gem. Urteil vom 12.10.2016 insofern abgeändert, dass der Käufer nunmehr weder den Grund für die Vertragswidrigkeit noch den Umstand beweisen muss, dass dies dem Verkäufer zuzurechnen ist.
Vielmehr hat der Geschädigte lediglich darzulegen und nachzuweisen, dass die erworbene Sache nicht den Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte. In richtlinienkonformer Auslegung des § 476 BGB lässt der BGH nunmehr die dort vorgesehene Vermutungswirkung bereits dann eingreifen, wenn dem Käufer der Nachweis gelingt, dass sich innerhalb von sechs Monaten ab Gefahrübergang ein mangelhafter Zustand (eine „Mangelerscheinung„) gezeigt hat, der – unterstellt er hätte seine Ursache in einem dem Verkäufer zuzurechnenden Umstand – dessen Haftung wegen Abweichung von der geschuldeten Beschaffenheit begründen würde. Dagegen muss der Käufer fortan weder darlegen und nachweisen, auf welche Ursache dieser Zustand zurückzuführen ist, noch dass diese in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt.
Dem Verbraucher kommt nunmehr die Vermutungswirkung des § 476 BGB auch dahin zugute, dass der binnen sechs Monate nach Gefahrübergang zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat. Damit wird der Käufer – anders als bisher vom BGH gefordert – des Nachweises enthoben, dass ein erwiesenermaßen erst nach Gefahrübergang eingetretener akuter Mangel seine Ursache in einem latenten Mangel hat.
Dies führt zu einer weiteren Verschiebung der Beweislast hin zum Verkäufer. Der Verkäufer hat den Nachweis zu erbringen, dass die aufgrund eines binnen sechs Monaten nach Gefahrübergang eingetretenen mangelhaften Zustands eingreifende gesetzliche Vermutung, bereits zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs habe – zumindest ein in der Entstehung begriffener – Sachmangel vorgelegen, nicht zutrifft.
Der Verkäufer hat also darzulegen und zu beweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war.
Dies stellt eine weitere Erleichterung für Gebrauchtwagenläufer dar, weil nunmehr im konkreten Fall nicht mehr die z.T. hohe Hürde hinsichtlich des Nachweises eines Mangels im Rechtssinne erforderlich ist. Laut BGH reicht nunmehr eine Mangelerscheinung.
Quelle: Pressemitteilung BGH Nr. 180/16 vom 12.10.2016