Ersatzfähigkeit von Gutachterkosten

Wird bei einem Verkehrsunfall das Auto des Geschädigten beschädigt, darf dieser (ab Überschreiten der Bagatellgrenze) einen Sachverständigen beauftragen. Dies wird meist über Empfehlungen der Werkstatt oder des Anwalts erfolgen. Später rechnet der Gutachter ab und stellt die Rechnung. Im Rahmen der Abwicklung kürzen Haftpflichtversicherungen dann gerne Teilbeträge aus diesen Gutachterrechnungen heraus.

In unseren Fällen ergibt sich danach meist ein „heiterer“ Schriftverkehr mit der Versicherung.

Grundlegend zu Gutachterkosten

Das Amtsgerichts Straubing (Endurteil vom 10.06.2015 – Aktenzeichen 2 C 495/15)  hat im Sommer 2015 in erfreulicher Deutlichkeit für Klarheit gesorgt und die gefestigte Rechtsprechung des BGH wiederholt.

Nach § 249 Absatz Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Schädiger den zur Wiederherstellung der beschädigten Sache erforderlichen Geldbetrag zu zahlen. Wahrt der Geschädigte den Rahmen des zur Wiederherstellung Erforderlichen, sind weder der Schädiger noch das Gericht im Schadensersatzprozess berechtigt, eine Preiskontrolle durchzuführen.

Der Geschädigte kann von dem Schädiger als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die von dem Standpunkt eines verständigen und wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und angemessen erscheinen.

BGH zu Gutachterkosten

Dem Geschädigten ist vor Erteilung des Gutachtensauftrages nicht zuzumuten, „Marktforschung“ zu betreiben. Der Geschädigte ist nicht verpflichtet, zu Gunsten des Schädigers zu sparen und sich so zu verhalten, als ob die Geschädigte den Schaden selbst zu tragen hätte.

Letztlich entscheidend sind daher die tatsächlich erforderlichen Kosten, sofern diese nicht für die Geschädigte deutlich erkennbar erheblich über den üblichen Preisen liegen. Das Landgericht Stuttgart hat hierzu ausgeführt, dass der „durchschnittliche“ mit der Materie des Gebührenrechts für Sachverständige nicht befasste Geschädigte mit den „üblichen“ für die konkrete Schadensfeststellung abrechenbaren Kosten des Gutachters nicht vertraut ist.

Erschütterung der Gutachterkosten

Im Prozess genügt der Geschädigte seiner Darlegungslast zur Schadenshöhe regelmäßig durch Vorlage einer Rechnung des von ihm zur Schadensbestimmung in Anspruch genommenen Sachverständigen.

Möchte die Versicherung dies erschüttern, so muss eindeutig vorgetragen werden. Einfaches Bestreiten der Sachverständigenrechnung genügt nicht. Der Schädiger muss vortragen, dass die vorgelegte Sachverständigenrechnung die übliche Abrechnung der Branche deutlich übersteigt und der Geschädigte dies erkennen hätte können (Beschluss des OLG München vom 12.03.2015 – Aktenzeichen 10 U 579/15).

Voraussetzung für eine substantiierte Einwendung seitens des Schädigers oder der Versicherung ist daher

  • die Darlegung der üblichen Sätze für das Grundhonorar und ggf.
  • der üblichen Sätze für Nebenkosten,
  • jedenfalls bezogen auf das nähere örtliche Umfeld, und
  • auf welchem Weg die vorstehenden Sätze für den Geschädigten ohne Marktanalyse und ohne Kostenvoranschläge unproblematisch unabhängig vom Rückgriff auf Umfragen von Sachverständigenverbänden ersichtlich gewesen sein muss.

Kann dies der Schädiger bzw. seine Versicherung nicht darlegen oder beweisen, kommt eine Kürzung bei Beachtung der obigen Grundsätze faktisch nur dann in Betracht, wenn die Abrechnung des Sachverständigen in sich so evident fehlerhaft ist, dass dies auch der Laie erkennen kann.

Fazit

Der Geschädigte hat auf dieser höchstrichterlich bestätigten Rechtsprechung in der Regel gute Chancen, gekürzte Gutachterrechnungen vollständig ersetzt zu bekommen.

Das dies dem üblichen Vorgehen der Versicherungen entspricht, haben wir es uns zur Angewohnheit gemacht, auch kleinste Beträge gerichtlich geltend zu machen. Anderenfalls wird es den Versicherungen zu einfach gemacht. Würde dies flächendeckend bei allen Anwälten im Bereich der Unfallregulierung erfolgen, würden sich die Versicherungen dieses Spielchen schnell abgewöhnen.